Geht es um die Eschatologie, kommt man als Christ nicht daran vorbei sich für eine von den drei Auslegungsmodellen zu entscheiden. Prämillenarismus, Amillenarismus oder Postmillenarismus.
Hat man seine Überzeugung gefunden muß man sich nun noch entscheiden ob man die Auslegung des dispensationalistisch-prämillenaristischen, der klassisch-prämillenaristischen, oder präteristischen Position folgen möchte. Gleiches gilt für den Amillenarismus und Postmillenarismus, in dem sich versteckt noch der Rekonstruktionismus verbirgt. - Um genau diesen christlichen Rekonstruktionismus soll es in diesem Beitrag nun gehen.
Im Rahmen des Bibelstudiums, wo ich mich gerade allgemein mit der Eschatologie beschäftige, ist mir im Postmillenarismus der Rekonstruktionismus begegnet. Diese Strömung ist hierzulande kaum bekannt und beachtet, obwohl sie in unserem Nachbarland Niederlande durchaus an Bedeutung gewinnt. Die meisten Christen, die dem Rekonstruktionismus zugewandt sind, befinden sich jedoch in den USA. Vermutlich liegt auch dort der Ursprung der Bewegung, die sich auf den in New York geborenen Philosophen und Theologen Rousas John Rushdoony (1916–2001) zurückführen lässt und in der 1960er-Jahre gegründeten Chalcedon Foundation mündet.
Im Prinzip ist der christliche Rekonstruktionismus (Unterschied zum jüdischen) eine Strömung von tausenden, die es in der globalen Christenheit gibt. Vielleicht wirkt sie fundamentalistischer und lauter als andere Strömungen; doch solche Erscheinungen gab es in der Vergangenheit schon häufiger.
Es ist etwas Anderes: Es ist eher ein inneres Gefühl, das mich dazu bewegt hat, mich dieser Thematik zuzuwenden. Genauer gesagt, ein ungutes Gefühl, das mich fragen ließ, ob hier wirklich noch Jesus im Zentrum steht und ob die radikalen Positionen und Forderungen mit der gesunden Lehre in Einklang zu bringen sind.
Um den Rekonstruktionismus grob zu beschreiben und auf das Wesentliche zu reduzieren, geht es darum, die biblische Lehre in ihrem vollen Umfang politisch in der Gegenwart umzusetzen. Und dies soll hermeneutisch wortwörtlich geschehen. Mit anderen Worten: Man strebt über einen Dominionismus und Theonomie langfristig einen evangelikalen Gottesstaat an.
Es sollte jedem klar sein, dass eine von Menschen initiierte Theokratie letztlich in eine Autokratie münden würde, die sich meist so ausprägt, dass sie mit einem liberalen demokratischen Grundverständnis nicht mehr vereinbar wäre.
Um Missverständnisse zu vermeiden, sehe ich als konservativer Christ einer fundamentalen Bibeltreue und wortwörtlichen Auslegung zwar eine sinnvolle Orientierung; ja, natürlich ist das Wort Gottes unabänderlich! Dennoch ist es notwendig, theologische Erkenntnisse und die Hermeneutik zu berücksichtigen, die zwischen unterschiedlichen Text- und Exegesetypen unterscheiden. Andernfalls würde man einen naiven Glauben pflegen, der die Komplexität des christlichen Systems ignoriert und die verschiedenen Meta-Ebenen christlicher Systemlogik zu einer minimalistischen Glaubensüberzeugung reduziert, die subjektiv zwar als richtig erscheint, doch eine Sicht ist, die Jesus sicherlich nicht gewollt hat, wie er auch in seinen Worten im Tempel deutlich gemacht hat.
Und genau hier liegt das Problem. Die Vorstellung von einer christlichen Theokratie mag auf den ersten Blick Reize besitzen, doch lässt sich dieser „vernunftbasierte“ Ansatz in der Realität schwer umsetzen. Vernunft ist ein Begriff, den jeder unterschiedlich versteht – und damit beginnt oft schon der Konflikt. Für mich als konservativer Christ ist es vernünftig, zumindest zu versuchen, sich am Wort Gottes in der Bibel zu orientieren und den Glauben fest im Alltag verankert zu halten. Ein liberaler Christ hingegen hält es für vernünftig, sich progressiv zu öffnen und den Glauben sowie Gottes Wort flexibel an die Gegenwart anzupassen. Offenkundig sind das zwei Divergenzen, die sich gegenseitig zu verdrängen scheinen: Des einen Vernunft, des anderen Unvernunft.
Auf der zweiten Ebene kommen Hermeneutik, Exegese, persönliche Sozialisierung und kulturelle Prägung hinzu, die sich in weltweit tausenden christlichen Denominationen widerspiegeln. Ein Katholik wird andere Prioritäten setzen als ein Freikirchler. Selbst wenn man die Bibel wortwörtlich auslegt, bestehen doch verschiedene Texttypen – historisch, ratgebend, prophetisch, persönlich, spirituell – und es wird schwer, hier einen gemeinschaftlichen Konsens und Kompromiss zu finden.
Auf der dritten Ebene der Auslegungsfragen kommt der theologisch anerkannte Interpretationspluralismus hinzu, der an vielen Stellen einen Auslegungsspielraum ermöglicht. Eine universelle Bibelauslegung ist daher weder möglich noch vermutlich von Gott gewollt.
Ein Rekonstruktionsansatz könnte also keine universell vernunftsbasierte Auslegung vertreten, denn eine solche gibt es schlichtweg nicht und wird es auch niemals geben, solange der Mensch in seiner natürlichen Fallibilität am Werk und Konstruieren ist. Wortwörtliche Auslegung ist lediglich eine Ebene an der Oberfläche; in der Tiefe der Hermeneutik steckt viel mehr als simples Bibellesen.
Zu guter Letzt fallen die teils radikalen Positionen und Forderungen auf. Es ist nachvollziehbar und möglicherweise löblich, sich klar für das Leben zu positionieren und gegen Abtreibung einzustehen, oder sich allgemein gegen die Wokeness-Kultur zu stellen oder für das Homeschooling zu plädieren und eine kreationistische Haltung zu vertreten. Doch der Rekonstruktionsansatz geht weit darüber hinaus. Natürlich lässt sich darüber diskutieren, ob Todesstrafen noch zeitgemäß erscheinen oder ob es andere Optionen gibt, und auch die Frage der Homosexualität kann debattiert werden. Ganz öffentlich aber auszufechten, öffentliche Auspeitschungen oder Steinigungen zu befürworten, empfinde ich persönlich als äußerst fragwürdig und bedenklich. Das erinnert eher an ein islamisch geprägtes System als an ein christliches, das unter dem Zeichen der Vernunft und Nächstenliebe steht. Jesus sagte: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein – das sollte man verinnerlichen, wenn man Sympathien für den Rekonstruktionsismus entwickeln möchte.
Hinzu kommt, dass viele Vertreter des Rekonstruktionsismus einen wirtschaftlichen Libertarismus vertreten, der biblisch gesehen nicht zu rechtfertigen ist. Würde man versuchen, aus der Bibel zwingend ein politisches System abzuleiten, wäre dies klar sozialistisch und eindeutig nicht kapitalistisch noch wirtschaftsliberal geprägt. Die Bibel ruft zu Askese und geistlichem Reichtum, nicht zu Ausschweifung und materiellem Reichtum auf. - Jeder gibt so viel er kann und nimmt so viel er braucht.
Unterm Strich halte ich diese Strömung meiner Ansicht nach für bedenklich und biblisch nicht vereinbar. Aus der philosophischen Theologie heraus beurteile ich den Rekonstruktionsismus als eine Radikale Form des biblischen Konservativismus, die sich deutlich von der gesunden Lehre Jesu entfernt hat. Daher mit Vorsicht zu begegnen.
Nun habe ich den Beitrag hier "Wie der Rekonstruktionismus den Postmillenarismus für sich beansprucht" genannt, und das nicht grundlos.
Wie ich eingangs schon darauf hingewiesen habe, wird man als Christ sich nicht um eine Entscheidung drücken können, in der man sich zwischen Prämillenarismus, Amillenarismus oder Postmillenarismus entscheiden muss.
Vergleicht man den Rekonstruktionismus, könnte man leicht schließen, dass er dem Dispensationalismus nahe steht. Tatsächlich ist er auch in seinen Denkansätzen ähnlich wirr. Weit gefehlt: Der Rekonstruktionismus verortet sich selbst im Postmillenarismus.
Der Postmillenarismus steht dem dispensationalistisch-prämillenaristischen Gedankengang genau gegenüber. Es wundert daher nicht, dass viele Anhänger der Bundestheologie sich ebenfalls in der Position des Postmillennialismus verorten. Das Absurde daran ist jedoch, dass der Rekonstruktionismus und seine Anhänger sich gegen die Bundestheologie stellen, die sich im Postmillenarismus verortet. Man muss also vorsichtig mit pauschalen Aussagen sein; wie man sieht, bedarf es einer differenzierten Betrachtung.
Die Logik hinter dem Rekonstruktionismus und weshalb er sich im Postmillenarismus verortet, besteht darin, dass er den Postmillennialismus missbraucht, um daraus ein politisches Ziel umzusetzen. Im optimistischen Postmillennialismus geht man davon aus, dass unser Herr Jesus nach dem Millennium zurückkehrt und das tausendjährige Reich durch christliche Mission und kulturelle Transformation vorbereitet wird – zu einer christlichen Kultur, ohne die Freiheitsrechte und die Gewissensfreiheit des Einzelnen einzuschränken.
Der Grundgedanke ist dabei tatsächlich nicht neu. Man erinnert sich sofort an die Adamiten (Adamianer), die in ihrer Theologie einen Fokus auf eine Rückkehr zur Sündlosigkeit des Garten Eden legen und deshalb ihre Position nach außen auch offensiv durch Nacktheit vertreten. Die Adamiten werden fälschlicherweise als christlich-gnostische Strömung bezeichnet, was historisch aber nicht zutrifft, denn es gab bereits vorher Strömungen, die die Idee des Zurückkehrens zu den Ursprüngen verfolgten. So wie die Adamiten eine Rückkehr anstrebten, strebt der Postmillennialismus eine Vorwärtsorientierung an. Der eine Weg zielt auf die Rückkehr zum Ursprung, der andere auf eine Öffnung nach vorne – doch das Ziel ist dasselbe: aus der sündigen Welt das Paradies entstehen zu lassen. (Millennium)
Der Rekonstruktionismus beansprucht also den Postmillennialismus als Nutzwert, nicht weil er die Theologie teilt. Rache, Vergeltung, Punitivität und Werksgerechtigkeit stehen nicht im Einklang mit der Theologie des Postmillennialismus. Die Aussage, das es auf biblischen Grundlagen basiert und letztendlich dieses dann Gottes Wille ist, ist als Strohmann-Argument einzuordnen, da Jesus von der Wichtigkeit der Nächstenliebe lehrte und diese dann auch im Widerspruch stehen würde. (Johannes 8,7)
Es ist im System selbst wesentlich verwobener, als man es aus den gängigen Schablonen zu diesem Thema vermuten würde. Als Baptist, der sich in der Budenstheologie verortet, neige ich eher dem Postmillennialismus zu. Zugleich muss ich gestehen, dass mir die geistige Interpretation des Millenniums und insbesondere die Ablehnung der Drangsal Schwierigkeiten bereiten; ich neige daher stärker zur Prämillenarposition. Erfreulicherweise tauchen jedoch vereinzelt im Postmillennialismus Perspektiven auf, die sich vom Konzept des geistigen Millenniums distanzieren und es tatsächlich auch als physisch verorten. Insofern sehe ich in der Christlichen Restoration und Weltmission keinerlei grundsätzliches Problem; doch in der Umsetzung, wie sie der Rekonstruktionismus sieht, lehne ich sie als unvereinbar mit meinem Glauben ab.
Zusammengefasst:
Von der Grundidee her ist der Rekonstruktionismus bestrebt, doch in der Umsetzung erweist er sich als gefährlich und bibelwidrig. Denn es ist unmöglich, eine universelle Bibelauslegung zu finden; daraus könnte ein autoritäres, totalitäres System entstehen, das alles regulieren will – sicher kein Paradies oder Garten Eden, der das Millennium im Dienst des Herrn vorbereitet.
Will man ein sozial-christliches Umfeld gestalten und kulturell anpassen, so darf dies nicht auf Zwang beruhen, sondern auf Erkenntnis, Vernunft und Überzeugung. Ohne die Führung des Heiligen Geistes sowie Demut und Liebe kann nichts Gutes daraus entstehen. Daher immer biblisch Prüfen, was zur gesunden Lehre gehört und was zur ungesunden. Der Mensch und seine Konstruktionen sollte nicht über dem Herrn stehen.
Vielleicht konnte ich mit diesem Beitrag einen Anstoß geben, wachsam zu bleiben, wenn man in der Fußgängerzone auf Geschwister trifft, die einen vom Rekonstruktionismus überzeugen wollen. Bis ins Tiefste durchdacht erscheint mir diese Position einfach nicht bibelkonform. Ich würde mich freuen, wenn mein Beitrag als Information nützlich beitragen konnte.
LG. Marco
Kommentare zu diesem Blogeintrag
LIeber Marco-1977
Stell dir einmal vor,
du müsstest diesen Text
in einfacher Sprache schreiben.
Ich kann mir nciht vorstellen, dass jeder Christ ein
Theologe werden soll.
Ich kann mir abe vorstellen,
dass Gott jeden CHristen durch die WIrren führt,
wenn er ein ehrliches Herz hat.
Auch dann Wege zu bewahren,
die in das falsche Ziel müssen.
Gleichwohl versuche ich dic als Laie zu verstehen.
MIr aber fehlt dabei einiges.
Der ständige Blick auf Jesus sagt mir,
was passiert.
DIe Bibel verspricht,
dass ich Weisheit bekomme,
wenn ich darum bitte.
Das Mr. T nicht wirklich Jesus kennt zeigt er an so vielen Dingen.
Er hat kein Hirtenkleid.
Die Früchte des Geistes kann ich auch nciht an ihm sehen.
Diese ganzen theologischen Begriffe sind Wortmonster
und brauchen unbedingt eine
Auffrischung in einfachem Deutsch.
Vielleicht wäre der Weg eines Gleichnisses gut,
um die Begriffe zu erklären.
Und ihnen dann eine deutsche Verballhornung an die Seite zu stellen.
Verzichtete Jesus nicht auf Wortmonster - oder?
"Um Missverständnisse zu vermeiden,
sehe ich als konservativer Christ einer fundamentalen Bibeltreue
und wortwörtlichen Auslegung zwar eine sinnvolle Orientierung; ja,
natürlich ist das Wort Gottes unabänderlich!
Dennoch ist es notwendig, theologische Erkenntnisse und die Hermeneutik zu berücksichtigen,
die zwischen unterschiedlichen Text- und Exegesetypen unterscheiden.
Andernfalls würde man einen naiven Glauben pflegen,
der die Komplexität des christlichen Systems ignoriert
und die verschiedenen Meta-Ebenen christlicher Systemlogik
zu einer minimalistischen Glaubensüberzeugung reduziert,
die subjektiv zwar als richtig erscheint, doch eine Sicht ist,
die Jesus sicherlich nicht gewollt hat,
wie er auch in seinen Worten im Tempel deutlich gemacht hat.
Das sehe ich nicht so.
Auf beiden Seiten kommt am Schluss Stückwerk heraus.
Was aber sagt die Schrift:
Den Aufrichtigen lässt Gott es gelingen.
Dass hier gerade in den USA versucht wird,
auf fleischliche Weise
Gottes Reich mit eigener Kraft
herbeizuführen
und sich dabei etwas vormacht.
Dasnehme ichschon war,.
da gibt so viele Anhaltspunkte.
Die Väter sagten:
Wen der Teufel nicht nach unten ziehen kann,
denn drückt er nach oben.
Und ich finde eine Auseinandersetzung mit den Begriffen gut.
Aber finde doch Namen, die man versteht,
zu jedem eine Geschichte,
die auf den Punkt bringt,
das gemeint ist.
Ich kann mir gar nicht vorstellen,
dass es in unserer Sprache dafür kein Wort gibt.
Es sind Prozesse,
es sind Weg-Entscheidungen,
es sind Glaubenshaltungen.,
es sind Verführungen.
Das A udn O ist auf Jesus zu schauen.
Wird er mich nicht auf rechter Straße führen ...
Nein?
Warum nicht?
Etwa, weil ich
einen naiven Glauben pflegen,
der die Komplexität des christlichen Systems ignoriert?
Das sind schnelle theologisceh WOrte,
aber wischen diesen WOrten -
da fehlt so viel.
Da fehlt das Leben.
Und das Leben ist ein Lebendiger.
Es ist Jesus selbst,
dem ichmcih anvertraue,
und der dieses dazwischen ausfüllen muss,
ausfüllen wird.
Es ist seine treue Gnade.
SO können deine WOrte auf den ersten Blick richtig sein,
auf dem zweiten aber falsch,
auf dem dritten Blick wieder richtig.
Vieles ergänzt sich und wird erst deutlich im Widerspruch.
Was ist denn, wen die theologische Erkenntnisse andere sind,
als der Bibeltext hergibt?
Ebene eine theologische Ansicht?
Alle Ansichen sind stückwerk
und sollten niemals auf dem Thrion usneres Herzens liegen,
auf dem Bestimmerplatz, der allein dem Lamm Gottes gehört.
Denn was darauf liegt, das herrscht.
Die Götzen zum Tode,
das Lamm zum Leben.
Auch eine theologische Erkenntnisrichtung kann sich
dann wieder als ein Mittler zwischen mir und Gott positionieren.
Wir aber sind Gottes.
WIr sind in Christus verbrogen in Gott.
Wir sind sein.
WIr sidn eins mit ihm.
Mit der gleicehn Liebe geliebt,
wieder Vater fr Jesus hatte.
Wir sind also in einem schönen
verordnetem Glück in Jesus Christus.
Meisnt du nicht?
freiheitding
müde,
nach einem langen Arbeitstag ...
müde aber geliebt.
Wie du doch auch - oder?