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Chormitglieds Blog

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Chormitglied
69 Jahre
64293 Darmstadt

Die Geschichte von Abraham und Issak - ist Gott wirklich so grausam?

Kürzlich fragte mich ein Freund, ob man denn die Geschichte von Issaks Opferung wirklich Kindern erzählen könnte - die Forderung Gottes erscheint so grausam, auch wenn sie später zurückgenommen wurde. Was für ein Gottesbild vermittelt diese Geschichte?
Ich habe die Herausforderung angenommen und mir darüber Gedanken gemacht. Die Bibel enthält so vieles über die Suche von Gottes Volk nach seinem Gott und seinem Willen, was in seiner Symbolik und Bildsprache sicher für Kinder noch zu kompliziert ist. Hier also mein Versuch, die Geschichte zu verstehen.

Die Geschichte von Abraham und Isaak (Gen 22, 1-19)
Ehe ich auf die Geschichte eingehe, in der Abraham seinen Sohn Isaak opfern will, möchte ich mir Gedanken machen, was der in biblischen Texten bisweilen vorkommende Satz bedeutet, dass „Gott zu einem Menschen gesprochen hat“. Wer kann von sich sagen, dass Gott direkt und vernehmbar zu ihm gesprochen hätte? Ich kenne niemanden, und ich glaube auch nicht, dass das jemals so konkret der Fall war. (Natürlich hat Jesus damals mit vielen Menschen so direkt gesprochen, aber das meinen wir hier nicht.) Hingegen glaube ich, dass Gottes Geist seine Schöpfung durchdringt und wir uns ihm, dem unbegreiflichen Gott, öffnen können. Viele Menschen hatten schon die Erfahrung, dass eine Erfahrung, eine Entscheidung, eine Einsicht plötzlich so klar – und unter Umständen positiv lebensverändernd – vor ihrem geistigen Auge stand. Viele nennen das Inspiration („Einatmung“), und man kann dabei sicher das Gefühl haben, als hätte Gott zu einem „gesprochen“ und eine Einsicht „eingehaucht“. Wir können uns also vorstellen, dass Gottes Geist in solchen Momenten mittelbar wirkt, indem ein weiterführender Gedanke sich in unserem Bewusstsein manifestiert.
In unserer Geschichte kommt von Gott gleich zweimal eine Nachricht von Gott. Zunächst fordert Gott von Abraham dieses schreckliche Opfer. Was mögen die Hintergründe dafür gewesen sein, dass Abraham zu der Überzeugung kommt, seinen einzigen Sohn opfern zu müssen? Gab es eine bestimmte Notlage, in der man seinen Gott durch ein Opfer besänftigen musste? Ist es ein Anklang an die Bräuche der Kanaaniter, in deren Land Abraham lebte und bei denen wahrscheinlich Menschenopfer eine Rolle spielten? Oder ist es in der Gestaltung der Geschichte einfach nur die Voraussetzung dafür, dass sich bei Abraham schließlich die Einsicht durchsetzen kann, dass dieses furchtbare Menschenopfer doch nicht notwendig ist?
Interessant ist, dass in der Geschichte die zweite Botschaft mit dem Verzicht auf das Opfer diesmal nicht direkt von Gott kommt, sondern von einem Engel überbracht wird. Dadurch wird der Gedanke an eine gute Eingebung bzw. Einsicht sehr konkret dargestellt: Die in diesem Land und seinem Kult bisweilen geforderten Menschenopfer sind grausam und nicht notwendig, ja von Gott gar nicht gewollt. War Abraham vorher noch der Meinung, das Opfer bringen zu müssen, so ist ihm nun klar: Nein, Gott will das nicht, kann es gar nicht wollen. Manchmal stellt er mich einfach auf die Probe: Verstehe ich dann, was Gott von mir will? Ist er ein grausamer Gott oder will er, dass es mir gut geht? Was glaube ich von diesem Gott? Im Nachklang geht ein Versprechen an Abraham: Gott will ein großes und bedeutendes Volk aus ihm machen. Vielleicht kann man das so verstehen: Wo sich das Gottesverständnis gewandelt hat von einem grausamen Herrscher, der unmenschliche Opfer verlangt, zu einem Gott mit dem Namen „Ich bin da“, da kann sich ein Volk frei und selbstbewusst entwickeln.
Das Volk Israel (das zu Abrahams Zeiten ja noch nicht so hieß) hat zu allen Zeiten diesen verborgenen und unbegreiflichen Gott gesucht. Die Geschichten der Bibel erzählen davon, wie sich im Laufe der Zeit Einsichten über Gott und ein gedeihliches Zusammenleben der Menschen herausbildeten, manchmal scheiterten oder verworfen wurden, dann wieder durch neue Einsichten bestärkt wurden. Diese Suche setzt sich bis in die heutige Zeit fort. Es gab im Laufe der Zeit viele Menschen mit besonderen Inspirationen, und wir glauben, dass Jesus zu Gott in einer ganz besonderen Beziehung stand, und darum kann die Bibel sagen, „er hat Kunde gebracht“. Jesus hat unser Gottesbild vermutlich am stärksten verändert, weil seine frohe Botschaft viel über das Wesen und den Willen Gottes sagt. Aber schon in der Abraham-Geschichte ist der Grundstein gelegt, dass wir an einen Gott glauben dürfen, der seine Schöpfung und uns Menschen liebt.
Übrigens: Auch heute noch treten Leute auf, die behaupten, sie wüssten, was Gott will. Da auch Inspirationen missverstanden werden können, ist bei solchen absoluten Behauptungen viel kritische Besonnenheit angebracht. Denn in der Vergangenheit hat, wie wir z.B. von den Kreuzzügen wissen, dieses absolut behauptete „Gott will es!“ schon unsägliches Leid über die Erde gebracht.


Verfasst: 30.07.2023, 18:08 Uhr

Kommentare zu diesem Blogeintrag

  • Chormitglied schrieb am 31.07.2023 um 00:25 Uhr

    Lieber freiheitding,
    danke für Deine Gedanken. Unsere Sichtweisen sind nicht gleich, aber wir alle sind ja auf der Suche.
    Dir alles Gute!
    Chormitglied